Zuverlässige Versorgung mit Sonnenenergie möglich
https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2014/06/zuverlaessige-versorgung-mit-sonnenenergie-moeglich.html
Ein Team von Forschern kommt in einer neuen Studie zum Schluss, dass solarthermische Kraftwerke zuverlässig und genug Strom liefern könnten, um künftig einen grossen Teil des Bedarfs an Elektrizität zu decken.
Konzentrierte Sonnenenergie wie sie in solarthermischen Kraftwerken zur Stromerzeugung genutzt wird, könnte künftig einen bedeutenden Anteil unseres Energiebedarfs decken. Das zeigt eine neue Studie auf, die soeben in der Fachzeitschrift Nature Climate Change erschienen ist.
Ein Team von Forscherinnen und Forschern verschiedener Institutionen, darunter Wissenschaftler der ETH Zürich, haben das Potenzial von solarthermischen Kraftwerken mit Hilfe von Modellen berechnet und getestet. Sie überprüften diese Art der Stromerzeugung in vier Regionen der Welt mit grossen Trockengebieten: der USA (Mojavewüste), dem Mittelmeergebiet (Nordafrika), Indien und Südafrika (Karoo und Kalahari).
80 Prozent im Mittelmeerraum
Die Studie zeigt auf, dass solarthermische Kraftwerke (Concentrating solar power, kurz CSP) einen substanziellen Beitrag zum gegenwärtigen Strombedarf leisten könnten. So könnte beispielsweise ein Verbund von solchen Kraftwerken im Mittelmeerraum bis zu 80 Prozent des Elektrizitätsbedarfs decken. Die Stromkosten lägen etwa gleich hoch wie heute diejenigen von Gaskraftwerken. «Solarenergie-Systeme können in Zukunft etwa gleich viel Energie bereitstellen wie heutige konventionelle Kraftwerke, und das erst noch ohne die gegenwärtigen Energiekosten zu übersteigen», fasst Stefan Pfenninger vom Imperial College London zusammen, der die Studie am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (A) leitete.
Anthony Patt, Mitautor und Professor für Mensch-Umwelt-Systeme an der ETH Zürich, hält fest: «Unsere Studie ist die erste, welche die Frage angeht, ob es möglich ist, ein überwiegend auf Sonnenenergie abgestütztes Stromnetz aufzubauen, das die Verbraucher dennoch zuverlässig während des ganzen Jahres und rund um die Uhr mit Strom versorgen kann.»
Geeignet, aber nicht überall
Sie hätten nun aufzeigen können, dass die Voraussetzungen für den rentablen Betrieb eines CSP-Verbunds mit der Garantie sehr hoher Verfügbarkeit nur im Mittelmeergebiet und in Südafrika uneingeschränkt gegeben seien. In Indien und den USA ist es viel schwieriger für CSP-Verbunde eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, da dort öfter Wolken den Himmel bedecken würden, auch wenn es mehrheitlich trocken sei. In diesen Gebieten müssten bis zu fünfmal grössere CSP-Systeme gebaut werden als in den beiden anderen Regionen. Dadurch würde der Strom aber sehr teuer.
Für ihre Studie simulierten die Forschenden Bau und Betrieb von CSP in den vier genannten Regionen. In die Simulation flossen Wetterdaten, Kraftwerks-Standorte, Kosten und die Nachfrage nach Elektrizität ein.
Um den Klimawandel zu bremsen, setzen viele auf erneuerbare Energieträger wie Wind und Sonne. Ein grosses Problem beim Einsatz von Solarenergie im grossen Stil ist aber, dass die Sonne im Tages- und Jahresverlauf nicht immer gleich lange scheint. Die Energie muss deshalb irgendwie gespeichert werden. Bei der Photovoltaik (PV), bei der Sonnenlicht direkt in elektrischen Strom umgewandelt wird, ist dieses Problem besonders gross, weil Elektrizität schwierig zu speichern ist.
Sonnenenergie sinnvoll speichern
CSP verwenden die Sonnenenergie dazu, Wasser aufzuheizen und mit dem Dampf Turbinen anzutreiben, die mit einem Stromgenerator gekoppelt sind. Die nicht sofort genutzte eingestrahlte Energie kann in Form von Wärme gespeichert und bei Bedarf in Elektrizität umgewandelt werden. Die Speicherkapazität von solarthermischen Kraftwerken ist allerdings auf wenige Stunden begrenzt. Scheint die Sonne während längerer Zeit nicht genug stark, reicht ein einzelnes Kraftwerk nicht, um eine grosse konstante Energienachfrage zu decken.
Eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen, ist, verschiedene CSP-Systeme zu einem Netzwerk zu verknüpfen. Bis anhin hat aber noch niemand Machbarkeit und Details eines solchen CSP-Netzwerks ausgearbeitet. Die vorliegende Studie ist die erste, die das Potenzial solcher Systeme genauer auslotet.
«Unser Modell zeigt, dass CSP einen substanziellen Anteil an der Produktion von Elektrizität bereitstellen könnte, sofern die Anlagen an optimalen Standorten in den genannten Gebieten aufgebaut werden und auf clevere Art miteinander vernetzt werden», sagt Patt. Wenn man das Problem der zuverlässigen, konstanten Stromversorgung aus erneuerbaren Energieträgern lösen wolle, müsse nun ernsthaft über den Ausbau von CSP nachgedacht werden, findet er.
Flächenbedarf und Umweltauswirkungen noch ungeklärt
Nicht im Modell berücksichtigt, haben die Forscher die Umweltauswirkungen, den Flächenbedarf sowie die politischen Voraussetzungen derjenigen Länder, aus denen der Sonnenstrom kommen sollte. Auch nicht in die Betrachtung eingeflossen sind Übertragungswege, wie der Strom aus den genannten Regionen nach Europa gelangen soll.
Utopien sind die Berechnungen und Modelle der Umweltforscher indessen nicht. In Marokko wurde im Mai vergangenen Jahres damit begonnen eine CSP-Farm im Rahmen der Wüstenstrom-Initiative Desertec aufzubauen. Dieses solarthermische Kraftwerk, das rund 700 Mio. Euro kosten wird, soll eine Leistung von 160 Megawatt haben. Es soll für eine halbe Million Menschen Strom liefern und Ende 2015 ans Netz gehen. Bis 2020 plant Marokko, fünf solarthermische Kraftwerken mit total 2000 Megawatt Leistung zu errichten. Damit stiege der Anteil an erneuerbarer Energie im nordafrikanischen Land auf 42 Prozent.